Gewohnheiten – die besseren Ziele

10 Aug Gewohnheiten – die besseren Ziele

Wenn wir uns etwas vornehmen oder aktiv in unserem Leben verändern wollen, formulieren wir dies oft als Wunsch, wie die berüchtigten Vorsätze zu Silvester. Viel zu oft bleibt es jedoch bei den Wünschen oder Vorsätzen, da diese zu unspezifisch sind, wie: „im nächsten Jahr sportlicher zu werden“ oder „gesünder zu leben“, um sie auch wirklich umzusetzen.

Besser sieht es mit Zielen aus, die, wenn wir sie auch noch realistisch und smart formulieren, leichter zu erreichen sind: „Um im Herbst für den Wanderurlaub fit zu sein, gehe ich die nächsten sechs Monate dienstags und donnerstags für 40 Minuten laufen.“ Trotzdem sind solche Ziele meist zeitlich beschränkt und nur mit konzentrierter Willenskraft erreichbar, die immer wieder neu aufgebracht werden muss.

Warum also nicht gleich langfristige Lösungen anstreben, die uns auch noch von unseren ständigen inneren Entscheidungskämpfen befreien – über Routinen bzw. Gewohnheiten. Wenn wir unsere Ziele nicht erreichen, liegt es oftmals nicht daran, dass wir uns nicht genügend bemühen. Es liegt vielmehr an fehlenden Routinen. Das bedeutet, wenn wir etwas dauerhaft in unserem Leben verändern möchten, müssen wir unser Ziel in eine Gewohnheit umwandeln.

Was macht Gewohnheiten überhaupt aus?

Gewohnheiten steuern uns unauffällig durch den Tag. Um die 50 % unseres täglichen Handelns erledigen wir automatisch, d. h., ohne weiteres Nachdenken oder in Frage zu stellen. Von morgentlichen Abläufen, über unser Ess- und Freizeitverhalten, feste Wege wie zur Arbeit oder nach Hause, was wir vor dem Schlafengehen machen, wie wir mit anderen Menschen umgehen oder unser Handy nutzen. All das ist geprägt von unseren Gewohnheiten. Es sind Verhaltensweisen, die wir regelmäßig in einem gleichen Zusammenhang automatisiert haben. Oft entstehen Gewohnheiten aufgrund von Entscheidungen, die wir einmal bewusst getroffen und dann durch Wiederholungen verinnerlicht und routiniert haben.

In wissenschaftlichen Experimenten mit Tieren wurde festgestellt, dass bei routinierten Abläufen Areale im Gehirn, die für komplexe Denkprozesse und Entscheidungen zuständig sind, aufhörten zu arbeiten. Aktiv blieben dagegen Regionen tiefer im Inneren des Gehirns, die für die schnelle und koordinierte Regulation von Abläufen automatisierter Bewegungen zuständig sind. Dort werden gewohnte Muster aktiviert, während der Rest des Gehirns ruht. Durch Gewohnheiten wird unser Gehirn also entlastet und vor Überforderung geschützt. Somit haben wir bei routinierten Abläufen, wie Kaffee machen oder Zähne putzen, den Kopf frei, um über andere Dinge nachzudenken. Sie sind so tief in unserem Gehirn verankert, dass wir selbst in Gefahren- und Stresssituationen auf diese Abläufe zurückgreifen können.

Zudem wird durch Gewohnheiten unsere Willenskraft geschont. Das ist wichtig, da die Willenskraft kein unendliches Gut, sondern pro Tag nur begrenzt verfügbar ist.

Gewohnheiten
Kaffee machen oder Zähne putzen - Routinen, die völlig automatisch ablaufen.
Gewohnheiten
Unser Gehirn unterscheidet nicht zwischen positiven und negativen Gewohnheiten.

Schließlich haben Gewohnheiten etwas Mediatives und geben uns das Gefühl von Sicherheit und Stabilität. So pflegen viele Spitzensportler ihre Routinen kurz vor Wettkämpfen, um sich mental zu beruhigen und optimal auf den Wettkampf einzustimmen.

Aber natürlich heißt das nicht, dass man für alles Gewohnheiten aufbauen sollte. Das würde bedeuten, dass wir unsere Wahrnehmung einschränken und mit Scheuklappen durchs Leben gehen. Dadurch wiederum würden wir uns jeglicher Entwicklung durch Neugierde, Spontanität und ungewohnter Handlungen verschließen. Es geht darum, eine positive Balance zu finden und die Macht der Gewohnheiten gezielt einzusetzen. Wenn du es z. B. schaffst, für dein Lernen gute Gewohnheiten zu festigen, wirst du viel weniger Energie und Willenskraft dafür verbrauchen.

Wie eine neue Gewohnheit etablieren?

Gewohnheiten setzen sich aus einem auslösenden Reiz am Anfang, der Routinehandlung an sich und einer unterbewusst erwarteten Belohnung am Ende zusammen. Wenn wir dieses Schema oft genug wiederholen, prägt es sich tief in das Gehirn ein, bis es automatisch abläuft.

Versuche doch einmal Gewohnheiten beim Lernen zu entwickeln, wie z. B. feste Lernzeiten, zeitnahes Nacharbeiten von Seminaren und Mitschriften oder Zeit- oder Lernpläne zu erstellen.

Klar, es kostet zu Beginn Disziplin, die neue Gewohnheit beizubehalten, aber nur so lange, bis sie wirklich verinnerlicht ist. Das kann je nach Komplexität der Gewohnheit kürzer oder länger dauern, im Durchschnitt braucht es 66 Tage.

Wir haben 9 Tipps für dich zusammengestellt, die dir beim Schaffen von Gewohnheiten helfen sollen:

    1. Mache dir dein Ziel für eine neue Gewohnheit klar und schreibe es am besten auf.
    2. Versuche deine Routine nicht zu kompliziert, sondern möglichst einfach zu halten.
    3. Bleibe realistisch und taste dich bei großen Zielen heran. Breche sie zu kleineren Mini-Gewohnheiten herunter.
    4. Verbinde dein gewünschtes Verhaltensmuster mit einem starken Auslösereiz. Das können spezielle Gefühle, Orte oder Zeiten sowie Geräusche sein. Plane z. B. zum Ende deiner Live-Seminare einen halbstündigen Nachbereitungstermin ein. Nutze dafür einen bestimmten Erinnerungston. Hat man es geschafft, einen neue Auslösereiz zu verankern, ist die angestrebte Gewohnheit schon fast Routine.
    5. Verstärke das, indem du das Verhalten noch an eine Belohnung koppelst. Eine neue Gewohnheit sollte positive Gefühle auslösen, damit es sich lohnt, das Verhalten zu wiederholen. Die Belohnung muss greifbar und unmittelbar sein, z. B. ein schönes Abendessen oder gezielte Zeit mit der Familie. Vergrößere die Abstände zwischen den Belohnungen und variiere sie, damit sie ihre Wirkung behalten.
    6. Finde Verbündete, die die gleiche Gewohnheit ändern oder einführen wollen. Gemeinsam ist es leichter, sich gegenseitig zu motivieren und mitzuziehen.
    7. Glaube daran, dass du erfolgreich bist. Sonst sabotierst du dich selbst. Damit du dein Ziel im Blick behältst, hänge es gut sichtbar auf. Es hilft dir dabei, am Ball zu bleiben.
    8. Sei geduldig und nicht zu streng mit dir. Wenn du mit deiner Gewohnheit ins Stolpern kommst, plane bewusst eine kurze Auszeit von der Routine ein und steige dann wieder richtig ein. Setze nur nicht zu lange aus.
    9. Gehe nicht mehrere Gewohnheiten gleichzeitig an. Das überfordert deine Willenskraft. Konzentriere dich lieber erst einmal auf eine Routine.

Und was ist mit den „schlechten Gewohnheiten“?

Leider unterscheidet unser Gehirn nicht zwischen positiven und negativen Gewohnheiten, d. h., ob sie uns nützen oder schaden. Haben sich schlechte Gewohnheiten eingeschliffen, ist es schwer, sie wieder loszuwerden. Gerade deshalb ist es wichtig, die Kraft der Gewohnheiten zu nutzen und positive Routinen zu verinnerlichen. Im besten Falle ziehen sie als Schlüsselroutinen andere positive Gewohnheiten mit sich: Wenn ich mehr Sport mache, achte ich vielleicht auch verstärkt auf eine gesündere Ernährung etc..

Zudem ist es leichter, „hin zu“ einer neuen Gewohnheit zu kommen und sie zu festigen, als „weg von“ einer alten Gewohnheit und sie aufzugeben. Bei Letzterem wäre das Ziel, über Selbstbeobachtung das Verhaltensmuster zu erkennen, das bei mir die Gewohnheit auslöst und herauszufiltern, was mich unterbewusst dazu motiviert. Wenn mir diese Zusammenhänge klar werden, kann ich in den nächsten Schritten versuchen, das Muster zu durchbrechen und durch positiveres Verhalten zu ersetzen.

Wenn es sich um größere Verhaltensänderungen handelt, gehen sie oft mit einschneidenden Erlebnissen wie Jobwechseln, Scheidung oder schwerer Krankheit einher. Solche starken Veränderungen, in denen uns unsere bisherigen Verhaltensmuster nicht weiterhelfen, begünstigen neue Gewohnheiten oder alte hinter sich zu lassen.