5 Tipps zum Umgang mit Angst und Anspannung vor Prüfungen im Fernstudium

08 Jul 5 Tipps zum Umgang mit Angst und Anspannung vor Prüfungen im Fernstudium

Angst vor Prüfungen kann verschiedene Gründe haben – zum Beispiel die Sorge durchzufallen, kritisch bewertet zu werden oder einen Blackout zu bekommen. In Maßen ist die Ausschüttung von Stresshormonen, die vor Prüfungen bei vielen Menschen passiert, sogar hilfreich für die Vorbereitung. Bei Angst oder starker Anspannung aber, kann deine Konzentration, dein Schlaf und deine Leistung beeinträchtigt sein. In unserem Beitrag findest du 5 Expertentipps für den Umgang mit Angst vor Prüfungen von Lisa Kapteina-Bock .

Angst oder starke Anspannung vor Prüfungen kann verschiedene Hintergründe haben – zum Beispiel die Sorge durchzufallen, kritisch bewertet zu werden oder ein Blackout zu haben. Häufig spielen eigene ungünstige Verhaltensweisen oder Gedanken in der Vorbereitung auf die Prüfung eine viel größere Rolle bei der Entstehung dieser Ängste, als dass reale, unumkehrbare Konsequenzen zu befürchten sind:

Ganz ohne Frage geht es bei Prüfungssituationen zwar meist auch darum, mit einer gewissen Abhängigkeit von äußeren Faktoren umzugehen; nicht jedes Detail ist vorab planbar und nicht jedes ungünstige Szenario kannst du vorwegnehmen. Doch es gibt verschiedenste Stellschrauben, die du selbst ziehen kannst und die dabei helfen können für weniger Anspannung und stattdessen für mehr Ausgeglichenheit oder Orientierung für dich zu sorgen.

Obwohl Gedanken rund um Prüfungen und auch die dazugehörige Ausschüttung von Stresshormonen in Maßen hilfreich für die Vorbereitung sind, können bei vielen Sorgen, bei Angst oder starker Anspannung deine Konzentration, dein Schlaf und deine Leistung beeinträchtigt sein.

Diese 5 Tipps zum Umgang mit Angst und Anspannung vor Prüfungen sind Angebote, wie es kann dir gelingen kann, einen kühleren Kopf zu bewahren und gut für dich zu sorgen. Vielleicht ist eine Anregung dabei, die du ausprobieren wirst.

Pruefungsangst

#illustration © by @djangonaut – Pavo Ivkovic – Illustrator

Tipp 1 – Das Gefühl angehen

Dass du die Angst oder Anspannung nicht empfinden willst, ist nachvollziehbar. Das scheinbar Paradoxe ist: Je stärker du sie ablehnst, desto eher verfestigt sie sich. Du erlebst wahrscheinlich, dass du alles versuchst, um die Angst loszuwerden und sie trotzdem immer wieder auftritt, selbst, wenn du dich ablenkst, Freunde dich beschwichtigen oder du in jeder freien Minute lernst. Das kann wiederum ein Gefühl von Hilflosigkeit auslösen und dafür sorgen, dass die Angst sich festsetzt.

Du kannst dir das vorstellen, als würde die Angst an deinem Bein hängen, an Rock oder Hose zupfen und dir unbedingt etwas sagen wollen. Statt ihr zuzuhören, versuchst du sie vermutlich abzuschütteln oder hältst dir sinnbildlich die Ohren zu. Das bringt die Angst in der Regel dazu, stärker auf sich aufmerksam zu machen und fester zu klammern. Es kann helfen, dass du versuchst zu verstehen, worum es bei der Angst geht und die Funktion des Gefühls ernst zu nehmen. Das ist das Thema von Tipp 2.

Als würde die Angst an Rock oder Hose zupfen und dir unbedingt etwas sagen wollen.

Tipp 2 – Dein Bedürfnis erkennen

Jede Emotion hat einen Auftrag. Jede Emotion kann also auf eine Art hilfreich sein, hat ihren Sinn und ihre Funktion. Der Auftrag von Angst ist unter anderem, die Bedürfnisse nach Sicherheit, Orientierung und Unterstützung anzuzeigen. Da Menschen aber dazu neigen unangenehme Gefühle zu ignorieren, werden die Bedürfnisse hinter dem Gefühl eher nicht (nachhaltig) erfüllt.

In dem Beispiel mit dem verlorenen Faden bedeutet das: Du hast Angst vor der Prüfung – etwas konkreter, du hast Angst, dass du den Faden in einer mündlichen Prüfung verlierst. Um die Angst im Zaum zu halten, machst du dir eventuell viele Karten, die dich durch die Prüfung leiten sollen und lernst den Ablauf auswendig. Kurzfristig gibt das wahrscheinlich mehr Sicherheit. Doch es könnte sein, dass die Sorge „was wenn ich den Faden doch noch verliere?“ bleibt. Und damit die Angst.

Ein Beispiel für langfristige Sicherheit in der Faden-Situation könnte sein, dass du überlegst, wie du dich konkret in dem Moment verhalten wollen würdest, wenn du den Faden tatsächlich verlieren solltest – wie könntest du dann handeln? Wie machen das Menschen, die auch dann gelassen bleiben?

Ein anderes Thema in Bezug auf Bedürfnisse könnte sein, dass du, um deiner Angst zu begegnen, lernst und lernst und lernst und dabei andere Bedürfnisse verpasst. Häufig kommen in Lernphasen Ruhe, Selbstfürsorge, soziale Kontakte und Ernährung sehr kurz. Ein Mangel in diesen Bedürfnissen kann tückischerweise die Anspannung und die Empfänglichkeit für Angst erhöhen. In solchen Fällen kannst du dann womöglich trotz deines Lernpensums, keinen Rückgang in deiner Angst erreichen.

Dann kann es helfen, dass du dich bewusst nach deinen Prioritäten fragst: Was ist für dich individuell wichtig und hilfreich, um dein Anspannungslevel in einem Maß zu halten? Die Mütze Schlaf, der Spaziergang an der frischen Luft oder ist es doch die extra Stunde lernen…. ? Entscheidend ist, dass du deine Bedürfnisse bewusst abwägst.

Tipp 3 bietet dir konkrete Verhaltensweisen, die du ausprobieren kannst.

Die Funktion von Angst ist unter anderem Bedürfnisse nach Sicherheit oder Unterstützung anzuzeigen.

Tipp 3 – Mit deinem Verhalten den Sorgen begegnen

Angst geht oft mit Vermeidungsverhalten einher. Zum Beispiel damit, wichtige Fragen nicht zu stellen, weil du nicht vielleicht wissen willst, was dabei herauskommt. Oder schwere Lernthemen vor dir her zu schieben, eventuell aus Sorge, sie nicht zu verstehen. Oder damit, nicht um Hilfe beim Lernen zu bitten, weil du denkst, andere könnten dich dafür abstempeln, dass du Unterstützung möchtest. Diese Sachen trotzdem auszuprobieren kostet meist Überwindung, doch wenn du bewusst entscheidest, die unbequeme Hürde zu nehmen, kannst du in vielen Fällen recht sicher beobachten, dass sich danach auch Erleichterung einstellt.

Statt zu vermeiden, kannst du also aktiv werden, zum Beispiel, indem du verschiedene Lernmethoden ausprobieren, um zu schauen, mit welcher du die schweren Themen am besten verstehst – z.B. Lerngruppen, Videos, leichtere Sachbücher, MindMaps und Co.. Du kannst auch gezielt deine offenen Fragen rund um Inhalte, den Ablauf der Prüfung und die Konsequenzen, die du bei schlechtem Abschneiden befürchtest, stellen, um Wissen und Orientierung zu gewinnen. Überlege dir vielleicht, wem du sie am ehesten stellen wollen würdest – der Beratung oder vielleicht Menschen, die die Prüfung bereits hinter sich haben.

Eine weitere Möglichkeit aktiv an deine Ängste heranzugehen ist es, die Situationen, die dir Angst bereiten schon vorab durchzuspielen – ob gedanklich oder als Rollenspiel. Das mag am Anfang unangenehm sein und ungewohnt, aber es kann sich wirklich lohnen! Denn je häufiger du dich mit deinen Sorgen und Ängsten beschäftigst, desto größer ist die Chance, dass das Gefühl mehr und mehr abnimmt.

Tipp 4 – Deinen Körper beim Stressabbau einsetzen

Wenn du sehr angespannt bist und viele Stresshormone ausgeschüttet sind, kann die Angst durch kleinste Reize leichter angefeuert werden.

Eine Methode gezielt Angst und Anspannung entgegenzuwirken ist, physiologisch für Entspannung zu sorgen: Bewegung hilft aktiv dabei Stresshormone abzubauen – du kannst spazieren gehen, Aufräumen, Radfahren oder eine Fitnesseinheit einlegen. Auch bewusste Atmung oder Muskelentspannung ist wirksam, um den Kreislauf zu durchbrechen. Bei Angst atmest du zum Beispiel schneller. Bewusst und ruhig zu atmen, kann deinem Körper signalisieren „ich bin ok“. Dazu auch einen Schluck zu trinken und deine Haltung gezielt zu verändern (aufrecht und alle Muskeln lockernd), können wahre Helfer sein.

Solltest du feststellen, dass die Angst auch trotz der Übungen immer wieder anklingt, ist das völlig normal. Es geht nicht darum, dass die Angst sich durch Bewegung und Atmung in Luft auflöst, sondern bewusst mit ihr umzugehen und sich einen Moment Auszeit von der Anspannung zu verschaffen. Dahinter, dass Ängste wieder anklingen, stecken häufig Sorgen. Und weil Sorgen eine so zentrale Rolle spielen, dreht sich der Tipp 5 um deine Gedanken.

Sorge gezielt für Erholungsphasen und Aktivitäten, die dir Selbstsicherheit vermitteln.

Tipp 5 – Über deine Sichtweise dein Gefühl beeinflussen

Selbst wenn du die Tipps 1 – 4 umsetzt, ist es schwer für einen kühleren Kopf zu sorgen, wenn deine Gedanken sich drehen und sich immer wieder Sorgen dazwischen drängen. Denn Gedanken beeinflussen Emotionen: „Wie soll ich das schaffen?“, „Was wenn es nicht klappt?“, sind Futter für Angst und Anspannung. Gedanken kannst du aber gezielt beeinflussen und damit auch dein Gefühl.

Versuche dir zum Beispiel mal zu überlegen, wie eine Person denken könnte, die die Prüfung gelassener sieht. Oder denke an motivierende Worte an dich selbst, wie „Ich habe schon viel geschafft – die Prüfung kann ich auch meistern“ oder „Ich habe mich gut vorbereitet, das ist die wichtigste Voraussetzung“ oder „Wenn ich den Faden verliere, zeige ich, dass ich wieder rein finde“. Du kannst dich Fragen: Was würden Eltern, Freunde oder Mentoren sagen, die dir Sicherheit vermitteln? Falls dir selbst nichts einfällt, kannst du Andere um ihre Ideen bitten.

Sinnvoll sind vor allem lösungs- oder handlungsorientierte Sätze, zum Beispiel „Sollte ich ins Straucheln kommen, atme ich durch, trinke einen Schluck und mache mit der nächsten Frage weiter.“ (statt dich zu verheddern in Gedanken wie „Wieso fällt mir nichts zu der Frage ein?! Das kann doch nicht wahr sein! Ich habe soviel gelernt.“). Auch akzeptierende, wohlwollende Perspektiven wie „Ich kann nicht auf jede Situation umfassend vorbereitet sein und das ist in Ordnung so.“ können dafür sorgen, dass sich deine Angst löst.

Wenn diese Art zu denken ersteinmal wirkt, wie ein nicht erklimmbarer Berg, oder du dich fragst, was das bringen soll, kannst du bei der nächsten Sorge einen kleinen Versuch machen: Lehne dich, wenn du genug von den Gedanken hast, zurück, lasse die Arme möglichst locker oder und deine Beine streckst du von dir. Atme dann einige Male tief durch. Dann sage dir Sätze mit einer festen Stimme selbst vor, die dir Zuversicht Sicherheit und Orientierung geben. Immer und immer wieder. Versuche das einige Minuten lang und ruhig auch mehrmals am
Tag. Dein Gehirn braucht Zeit, sich an die neuen Sätze zu gewöhnen….

Der Kniff all dieser Tipps liegt darin, schon vor der Prüfung in eine Haltung zu kommen, die zumindest etwas von der Intensität der Anspannung nimmt und den eigenen Angstwirbelwind -soweit es eben geht- im Aufschaukeln zu bändigen.

All diese Tipps brauchen Training. Verliere nicht den Mut, wenn die Angst nochmal zurück kommt und versuche stattdessen beharrlich etwas aus den 5 Tipps anzuwenden: Angst ansehen, atmen und bewegen, hilfreiche Gedanken aufsagen und mit deinem Verhalten für deine Bedürfnisse sorgen.

Gastautorin

LISA KAPTEINA-BOCK

Lisa Kapteina-Bock ist Psychologische Psychotherapeutin (Verhaltenstherapie),  Mediatorin BM®, Coach, Trainerin, Dozentin und Content Creator.  Für das Institut für Mediative Kommunikation und Diversity-Kompetenz ist sie im Zertifikatsstudienprogramm „Konfliktmanagement/Mediation –Coaching – Training“ als freie Dozentin tätig.

Dieser Artikel ist ein redaktioneller Gastbeitrag, der in Kooperation mit dem Institut für Mediative Kommunikation und Diversity-Kompetenz entstanden ist.